Sprung über die Strasse von Gibraltar
- belfiorezimmermann
- 4. Jan.
- 7 Min. Lesezeit
Nun ist „ernst“… der Entschluss steht… am 21. 12. 2024 ist Überfahrt nach Afrika – definitiv…


Am wenigsten Aufwand ist das Erstehen eines Fährtickets von Algeciras rüber nach Tanger Med – wo die meisten Fähren unterwegs sind und auch die meisten (..) Fahrzeuge mit Reisenden aller Art und Spezies – speziell über die Festtage am Jahresende… 🙈
Marokkanische Gastarbeiter, Spanier, Franzosen Deutsche und sonst ein paar verlorene Seelen – alle wollen sie rüber nach Afrika und das hat Konsequenzen…ich war schweizerisch pünktlich 2h vor fahrplanmässigem Abfahrtstermin (10.01h) der Fähre von Balearia am 21. 12. 2024 am Fährterminal – so wird man von der Schifffahrtsgesellschaft instruiert und wie man das als braver Schweizer das dann halt auch so macht… etwas an verhaltener Skeptik hat sich dann bei mir schon bei der Einfahrt und Einweisung auf den Warteplatz eingestellt – es ruckelte und zuckelte so vor sich hin… aber mit der dann tatsächlich resultierenden Wartezeit war das effektiv kein Vergleich mehr ☹An solchen Reisetagen muss der geneigte Reisende mit allem versorgt sein, was zum (Über-)Leben notwendig ist: Essen, Trinken, Unterhaltung, nicht vergessen eine Toilette o.ä. usw. - also ein Campermobil… Dann sind vor allem eine gewaltige Portion Geduld, Gelassenheit und Gleichmut gefragt…Ich kann das mit den grossen Ferienstaus im Sommer am Gotthard vergleichen – und doch ist es nicht vergleichbar… man steht über Stunden ohne Informationen (??) und irgend ein PP-Sektor nebenan leert sich dann mal und dann ein anderer usw. und es füllt sich wieder nebenan usw.
Ist man irgendwann – nach ca. 6 Stunden ödem warten – auch mal dran, geht es schleppend in den Bauch des Fährschiffes und alle verlassen ihre Fahrzeuge im Eiltempo – ich etwas ratlos gemächlich hinterher… nu weiss ich weshalb es jeder sehr eilig hat um im Schiff nach oben zu kommen…Balearia stellt an Bord der Fährschiffe als Dienstleistung sämtliche Zollformalitäten zur Verfügung, d.h. Einreiseformulare können ausgefüllt werden, dann der Einreisestempel für Marokko beim „Zoll“ auf dem Schiff abgeholt werden und auch das Zollpapier für die Einfuhr eines privaten Fahrzeugs wird da erteilt… ganz cool… aber das muss der geneigte Erst-Marokko-Reisende erst einmal checken… bis ich das raus hatte, war die Schlange am Schalter so lange, dass es die ganze Überfahrt gedauert hat, bis ich meine Stempel und Papiere endlich auch beisammen hatte – also nochmals Geduld üben und brav in der Warteschlange stehen, bis ein einzelner (..) Zollbeamter alle Papierlis von hunderten von Reisenden durchgearbeitet und den obligaten Stempel in den Reisepass reingedrückt hat… no more comment ☹Jetzt denkt der geneigte (unerfahrene Marokko) Tourist er wäre durch und kann nach dem Anlanden der Fähre auf und los ins gelobte Land reisen… hahaha – da ist ja noch der marokkanische Zoll und die Royale Polizei, die wollen ja auch noch etwas zu tun haben – also schauen sie in ALLE Fahrzeuge rein und stellen viele Fragen… habe ich in der Warteschlange so beobachtet und bin einigermassen beunruhigt auf meiner Fahrspur nach vorne gekrochen bis zu (m-)einem Beamten… wurde dort zur Seite gewiesen und „durfte“ dann wieder mal warten… uiuiui…Irgendwann war ich dann auch endlich dran und ohhh Wunder, der wollte nur alle meine Papiere sehen und hat die obligatorische Frage nach der Drohne an Bord des Fahrzeugs gestellt und dann war ich da bereits schlank durch – hääääää…
Auf der Seite unzählige (überladene) Fahrzeuge komplett ausgeräumt, alles auf der Strasse, Taschen und Koffer etc. geöffnet, Schüffelhunde und Beamte rundum – schlicht ein Bild des absoluten Einreisechaos – und ich einfach durch… so ist es, wenn man(n) seriös ausschaut, dachte ich… aber es ist was anderes (s. weiter unten ***)
Noch nicht ganz durch… neuer Kontrollposten und nochmals eine Gesichts- und Papierlikontrolle und dann war ich endlich ohne Verdacht „entlassen“! Die Drohne musste nicht entsorgt werden (..) und niemand hat in meinem Schneckenhaus herumgekramt – einfach suuuper!
Fazit: das ganze Prozedere zur Überquerung der Strasse von Gibraltar – eine Meeresenge von unter 20km – hat sage und schreibe 11h gedauert… solange steht man nicht einmal in der Hochsaison am Gotthard…

(***) Es gibt eine einfache Erklärung dafür: nein – es ist nicht mein super seriöses Aussehen und Auftreten – es ist viel einfacher: die wollen die Touris, die Devisen ins Land bringen, nicht zu stark erschrecken! Das ist auch im Landesinnern identisch feststellbar – überall gibt es vor grösseren Orten oder an Verkehrsknotenpunkten die Polizeikontrollen, da wirst du als Tourist sofort erkannt und auch gleich einfach mal durchgewinkt… oder gwundrig angeschaut und freundlich ausgefragt ob man das erste Mal in Marokko sei, wie es einem hier gefallen würde und so weiter, dann mit einem freundlichen „Gute Reise“ wieder verabschiedet – ist mir exakt so genau ein einziges Mal passiert!

So - aber ab jetzt wird gefahren!

Tanger lasse ich gleich mal aus, denn auf die „Hafenstadt“ an der Strasse von Gibraltar habe ich definitiv keine Lust – zuviel Remmidemmi und Einheimische, die auf abzockbereite Touris aus Europa warten.
Ich fahre in Richtung Süden mit dem Ziel „Chefchaouen“, der blauen Stadt in der gleichnamigen Provinz. Hier ist alles recht entspannt und die Händler im Souk überhaupt nicht aufdringlich – ob das wohl von dem Zeugs herrührt, wovon so ein süsslicher Duft in der Luft liegt und das man mir vor allem verkaufen möchte… no, no merci je ne suis pas intéressé – désolé!
Das Rauchzeugs ist in Marokko zwar verboten, trotzdem wird kräftig konsumiert und die Polizei scheint beide Augen davor zu verschliessen – womit diese Thema für mich ein für alle Mal abgehakt ist!
Aber ein tolles Städtchen, diese Chefchaouen – ein echter Hingucker wegen der blauen Häuser und Gassen (s. Fotos).



Weiter entlang der Mittelmeerküste in Richtung Osten – es geht hoch und runter, links und rechts, ich fühle mich wie auf einer Achterbahn und mache auf wenig Kilometer sehr viele Höhenmeter!


Im Osten ist dann Al Hoceima mein „Umkehrpunkt“ um mich weiter ins Zentrum Marokkos zu bewegen. Ich fahre dazu mitten durchs Rif-Gebirge (mehr Info dazu s. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rif_(Gebirgszug) ) und staune nicht schlecht über Landschaft und Strassenprofil… „jage“ den armen Toyota über kurvige Bergstrassen die Berge hoch bis auf 1‘600müM… karge Landschaften und Berge sind meine „Begleiter“… und immer wieder mal Berber (und Kinder!!), die hier ihre Schafe und Ziegen hüten…
Meine nächste Station um etwas mehr Zeit an Ort zu verbringen und Sightseeing zu machen ist eine der marokkanischen Königsstädte Fez. Am Stadtrand gibt es einen CP, wo das Schneckenhaus bleiben kann, derweilen ich die Stadt besichtige. Mit dem Taxi rein ins Centrum und von dort geht es nur noch zu Fuss durch die super enge Altstadt mit dem Souks und den Cafés… ich habe mich an zwei Tagen durch Fez bewegt und hunderttausend (oder noch viel mehr) Dinge gesehen – irgendwann war mir davon schwindlig und ich musste einfach nur raus und in die „Ville nouvelle“, wo mehr Raum ist und auch mal ein Café, das Platz und Ruhe anbietet. Die laute, geschäftstüchtige Action kann im alten Stadtteil bleiben…


Nächster Halt auf der Überlandfahrt ist bei den Römern – oder was davon noch übrig ist: Volubilis… hier schön viel Platz für die Besichtigung der Ruinen der ehemaligen Römersiedlung (s. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Volubilis)

Weiter an den Ort, wo Marokkos Wurzeln liegen: Moulay Idris «Moulay Idris gilt im Land als Staatsgründer. Sein Grab befindet sich in der gleichnamigen Stadt und ist die wichtigste Pilgerstätte Marokkos. Viele Jahre war Nicht-Muslimen der Zutritt zum Ort verboten. Denn Moulay Idris ist der Landesheilige. Wer sieben Mal nach Moulay Idris pilgert, so sagt man in Marokko, braucht nicht mehr nach Mekka zu reisen.» Mir jedoch reicht ein Mal, denn es ist ein eher schmuckloses Kaff am Hügel – und die «heiligen» Stätten dürfen von Nichtmuslimen eh nicht betreten werden.

Dann weiter nach Meknes, die zu Fes benachbarte andere Königsstadt Marokkos. Meknes ist nur etwa halb so gross wie Fes und deutlich weniger anstrengend – alles relaxter trotz regem Treiben… interessant ist Meknes vor allem wegen der gigantischen Stadtmauer und den schönen Häusern/Palästen…



... aber ich habs dann auch bald mal gesehen und verabschiede mich in Richtung Süden, d.h. Hoher Atlas…
... davon aber ein ander Mal 😉
Hier noch etwas über das Alltägliche, das einem in Marokko begegnet:
Sprachliches: mein Schulfranzösisch... mit den hier gängigen Sprachen ist ja kein Hof zu machen, Arabisch und Berberisch sind schlicht unmöglich für einen Petit Suisse, der erst vor 10 Tagen in dieses Land eingereist ist…Aber das Franz. … leider bin ich auf Niveau Schulfranz stecken geblieben und so gibt es halt von meiner Seite bei den Gesprächen und Verhandlungen etc. ein entsprechendes Herumgestocher und die Suche nach identischen Vokabeln aus dem Spanischen/Italienischen/Englischen… und die Moroc’s sind im Franz bekanntlich sehr gut unterwegs… also lerne ich neuerdings dazu… und bis jetzt hat es immer toll funktioniert, dank der gütigen Nachsicht der Einheimischen!
Grundversorgung auf Marokkanisch: besonders aufgefallen ist mir wie viele Cafés und Restaurants es im ganzen Land gibt – ein noch so kleiner Ort draussen in der Pampa hat 100%-ig mindesten (!!) ein Café (eher mehrere)… allein in Fès gibt es sicher mehr Cafés/Restaurants in der Stadt als diese verteilt im ganzen Land in der Schweiz vorkommen..! Die Morocs sind sehr gesellige Menschen und man trifft sich im Café zum The oder Kaffee auf einen Schwatz… Es scheint ihnen in etwa so zu gehen wie mir: «sie haben auch von nichts mehr als > Zeit!» In diesem Zusammenhang interessant sind auch die Autos (Kombis, Pickups etc.), die an sehr vielen Ortseinfahrten und grösseren Strassenkreuzungen stehen - das sind die mobilen Cafés… die haben hinten im Kombi oder auf dem Pick-up eine (Mehrkolben!) Kaffeemaschine montiert und liefern so dem eiligen Passanten einen feinen Kaffee und dazu ggf. noch eine marok. Süssigkeit… N.B. der marokkanische Kaffee kann sich durchaus sehen lassen – würzig und meist sehr stark ist er.


Umwelt: Etwas anderes, das mich stark beschäftig ist die enorme (Umwelt-) Verschmutz-ung dieses Landes. Überall Müll, wohin das Auge sieht…entlang der Stassen eine konstante Müllablage für ALLES – ich führe das nicht weiter aus, der geneigte Leser kann es sich selber ausdenken…Im Weiteren graust es mir vor den sanitären Anlagen auf SP/CP und an öffentlich zugänglichen Orten – die Skala dabei reicht von schmuddelig bis total versifft… leider kommt auf dieser Skala die Rubrik „sauber“ praktisch nie vor – c’est triste!
À bientot 😉
Danke für de Iiblick in dini Reis. Mega toll zum so au biz mitdebii zsi☺️
hallo Belfiore, danke für den spannenden Bericht und die Fotos. Zuerst mal aber "as guats neus" und viel Wohlbefinden. Vor 50 Jahren war es doch noch um einiges leichter, sogar unseren Hund konnten wir mitnehmen. An Verschmutzung erinnere ich mich nicht mehr. Viel Vergnügen im hohen Atlas - und wieder sehr gespannt auf weitere Berichte, Adora und Edi
Hi LIeblingsreiseschriftsteller ..... DANKE .... da Birgit und ich dieses Jahr mehr Zeit haben u. a. auch für das Reisen, sind wir dir dankbar für deine Infos aus erster Hand ....immer wieder ein bunter Mix aus Informationen und immer auch etwas zum schmunzeln. Morgen Sonntag noch vor dem Tagesanzeiger werde ich diesen Bericht dann genüsslich gelesen. Über dein Honorar können wir dann bei einem guten Nachtessen sprechen.... wann immer das dann auch sein wird .... gruss und eine gute Zeit ....Thomas
Text .... Text .... Text